Die Artist Placement Group (APG) initiierte und organisierte sogenannte Placements, bei denen Künstler_innen in Industriebetrieben oder öffentlichen Institutionen recherchierten, an Projekten arbeiteten oder künstlerische Arbeiten realisierten. Sie argumentierten für den gegenseitigen Nutzen, der aus der künstlerischen Präsenz in Organisationen resultiert. Künstlerische Praxis und Wissen sollten nicht mehr auf das Atelier und die Galerie beschränkt bleiben, vielmehr sollte ihr Handlungsfeld auf kommerzielle, industrielle oder Verwaltungskontexte ausgeweitet werden, um auf gesellschaftliche Organisations- und Entscheidungsprozesse einzuwirken. Hintergrund der Entstehung des APG-Konzeptes ist auch der in dieser Zeit nicht nur in Großbritannien rege geführte Diskurs um „Entmaterialisierung“, also die Abkehr von einem objektbasierten Werkverständnis in der bildenden Kunst. Der Slogan Context is Half the Work zeugt von dieser räumlichen und ideellen Verschiebung: aus den Ateliers hinein in die gesellschaftlichen Institutionen; vom materiellen Werk hin zur Information, zur ortsspezifischen Arbeit, zur sozialen Beziehung.
Die ursprünglich von Barbara Steveni (ehem. Latham) konzipierte Initiative führte 1966 zur Gründung der APG, die bis in die 1980er Jahre hinein aktiv war und auch Personen anderer professioneller Hintergründe versammelte. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten Barry Flanagan, David Hall, John Latham, Anna Ridley und Jeffrey Shaw. Die Gruppe formierte sich Mitte der 1960er Jahre um das Ehepaar Barbara Steveni und John Latham. Vor allem Künstler_innen aus dem Umfeld des St. Martin College of Art, wo Steveni und Latham unterrichtet hatten, versammelten sich als sogenannter Think Tank zu Diskussionen in deren Haus in Notting Hill.
Die APG war weder ein Künstler_innenkollektiv noch eine Vermittlungsagentur. Es gab keine explizite Mitgliedschaft, vielmehr bildete sich ein loses Netzwerk, aus dem heraus Künstler_innen für Placements vorgeschlagen wurden. Neben den Gründungsmitgliedern waren unter anderem Ian Breakwell, Stuart Brisley, Roger Coward, Hugh Davies, Andrew Dipper, Garth Evans, Leonard Hessing, George Levantis, Ian McDonald Munro, David Toop, Marie Yates, sowie Nicholas Tresilian, Rolf Sachsse und Ros Sachsse-Schadt zu unterschiedlichen Zeiten Teil der APG. Hinzu kamen Mitglieder und Unterstützer_innen aus anderen gesellschaftlichen Bereichen.
Zunächst als Stiftung mit Kuratorium und künstlerischem Beirat (dem sog. Noit Panel) organisiert, wandelte die APG sich später in eine gemeinnützige GmbH (APG Research Ltd.) um. Dem Kuratorium gehörten Vertreter_innen aus Industriebetrieben, aus Kunstinstitutionen und Medien, später auch ein Gewerkschaftsvertreter an. Barbara Steveni war als Koordinatorin maßgeblicher Motor hinter den Kontakten und Korrespondenzen mit hunderten von Firmen und Organisationen, ebenso wie mit potenziellen Geldgeber_innen und Fürsprecher_innen. John Latham prägte die öffentlichen Auftritte und die Sprache der APG maßgeblich mit seinen kosmologischen Denkmodellen zur Werttheorie und zur Dimension der Zeit als primärer Entfaltungsebene für künstlerische Impulse. Lathams „Timebase Theory“ begleitete auch die internen APG-Debatten und wurde von einigen der Akteur_innen als konzeptuelles Vokabular übernommen.
Die frühen APG-Placements wurden fast ausschließlich mit Industriebetrieben ausgehandelt. Anders aber als bei zeitgleichen Initiativen wie Experiments in Art and Technology (EAT) in den USA oder dem Ars Viva Programm Künstler arbeiten in Industriebetrieben des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), wo eine technische Kooperation und der Zugang zu industriellen Materialien im Vordergrund stand, reichte der Ansatz der APG darüber hinaus. Ebenso wenig war sie am Modell des Sponsorings oder Mäzenatentums interessiert. Die Gruppe entwickelte eine eigene Terminologie und Verfahrensweise für ihre Placements, die sie mit den aufnehmenden Organisationen aushandelte. Idealerweise ging jedem Placement eine mehrmonatige Machbarkeitsstudie (Feasibility Study) voraus, in der die Künstler_innen sich mit dem spezifischen Kontext vertraut machen und ihr künstlerisches Projekt für das darauf folgende, länger andauernde Placement formulierten konnten. In der Praxis blieb es häufig bei einer Feasability Study, für die die Künstler_innen ebenso wie für das Placement selbst bereits eine Bezahlung erhielten. Die APG berechnete zusätzlich eine Vermittlungsgebühr von 15-20% des Künstlerhonorars für ihre organisatorische Tätigkeit.
Zentrale Prämisse der Verhandlungen war das Prinzip des „Open Brief“, etwa im Sinne einer Carte Blanche, das ein ergebnisoffenes Arbeiten während des Placements garantieren sollte. Die Künstler_innen sollten innerhalb der Organisationen als unabhängige Beobachter_innen agieren und den Gegenstand ihrer Arbeit aus dem Prozess vor Ort heraus entwickeln. John Latham prägte den Begriff „Incidental Person“ für diese weit über das klassische Verständnis hinausgehende Rolle der Künstler_innen in den Placements.
Ab Mitte der 1970er Jahre trat die APG verstärkt an öffentliche Institutionen und Ministerien heran. Dem vorangegangen war ein durch das Civil Service Department an verschiedene Regierungsbehörden verschicktes offizielles Empfehlungsschreiben für eine Zusammenarbeit mit der APG, das Steveni 1972 nach einigen Verhandlungen erwirkt hatte. Gleichzeitig begann die APG, Kooperationen mit öffentlichen Einrichtungen verstärkt im europäischen Ausland zu diskutieren und sich etwa ab 1977 als APG Multinational in Deutschland, Österreich, Frankreich und den Niederlanden mit dem Konzept The Incidental Person Approach to Government zu präsentieren.
Die APG war jedoch mehr als die Summe der durch sie realisierten Placements. Wenn auch kein Künstler_innenkollektiv im herkömmlichen Sinne, so trugen ihre öffentlichen Präsentationen als Gruppe oftmals eine performativ-künstlerische Handschrift. Nicht zuletzt die Selbstinszenierung im temporären Büro während der APG-Ausstellungen between 6 in der Kunsthalle Düsseldorf (1971) und inn7o – Art & Economics in der Londoner Hayward Gallery (1971-72) ließ die Ambivalenz der APG zwischen Performance und realer Verhandlung deutlich werden. Rund um einen als The Sculpture betitelten zentralen Verhandlungstisch versammelten sich dort die APG-Künster_innen, um mit eingeladenen Vertreter_innen aus Wirtschaft und Verwaltung über die Ziele der APG zu diskutieren. Sprache und Ästhetik des korporativen und institutionellen Raums wurden dabei nicht ohne Ironie angeeignet und prägten durchgehend den Stil der APG.
Kritiker_innen der APG nahmen diese Ambivalenz und die unbefangene Annäherung an Vetreter_innen der gesellschaftlichen Elite zum Anlass, die politische Unbestimmtheit (in ihren Worten „Naivität“) der APG öffentlich anzugreifen. Von Seiten marxistisch geprägter Kritiker wie Peter Fuller, Gustav Metzger und auch durch den eng mit APG assoziierten Stuart Brisley wurde der Gruppe nach der Ausstellung in der Hayward Gallery vorgeworfen, sie verfolge einen reformistischen Ansatz, der reale Klassenantagonismen verkenne. Derlei Kategorien existierten im Denken der APG und insbesondere Lathams in der Tat kaum – für sie nahmen Künstler_innen eine dritte Position jenseits kommerzieller und politischer Interessen ein. Die Frage nach gesellschaftlicher Veränderung stellte sich hierbei auf ganz andere Weise als über Klasse und Herrschaft – die Umwertung der Künstlerrolle als Concept Engineer lässt sich vielmehr im Kontext medien- und systemtheoretischer Diskurse jener Zeit verorten.